Zahle deine Schulden nicht zurück!

Eigentlich ist es doch verrückt: Man nimmt einen Kredit auf und versucht dann, ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Denn Schulden bedeuten Druck. Sie machen Angst, sie schränken einen ein – und das Gefühl, „jemandem etwas zu schulden“, sitzt tief in uns. Aber gleichzeitig haben wir den inneren Drang, Eigentum aufzubauen, obwohl uns das jahrelang belastet.

Doch was, wenn genau das der größte Fehler ist? Was, wenn das System so aufgebaut ist, dass du mit Schulden sogar profitierst, ohne etwas Illegales zu tun? Wenn deine Einstellung, die Schulden loszuwerden, völlig falsch ist?


Der verrückte Gedanke: Schulden als Vorteil

Der Satz „Zahle deine Schulden nicht zurück!“ klingt auf den ersten Blick provokant, fast schon gefährlich. Aber er ist nicht als Aufruf zur Zahlungsverweigerung gemeint, sondern als Denkanstoß, wie unser Finanzsystem funktioniert und es so zu nutzen, dass du am Ende am meisten Nettovermögen aufbaust.

Denn während du jeden Monat brav tilgst, passiert im Hintergrund etwas, das viele vergessen. Die Inflation arbeitet für dich. Sie entwertet Geld, was oft als negativ gesehen wird. Denn viele denken immer nur an ihre Lebensmitteleinkäufe und das Tanken ihres Autos und jammern, dass immer alles teurer wird.

Was viele vergessen, ist, dass es auch positive Seiten gibt: Inflation ist nämlich extrem positiv für deine Schulden. Und das in einem Ausmaß, das sich kaum jemand vorstellen kann.


Ein einfaches Beispiel: 300.000 Euro Hauskredit

Stell dir vor, du nimmst einen klassischen Kredit für ein Eigenheim auf:

  • Kreditsumme: 300.000 €
  • Laufzeit: 25 Jahre
  • Zinssatz: 3,5 %
  • Inflation: im Schnitt 4 % pro Jahr

Nominal musst du natürlich 300.000 € plus Zinsen zurückzahlen. Aber der reale Wert dieser Schulden – also, was dieses Geld in Zukunft noch „wert“ ist – verändert sich drastisch.

Nach 25 Jahren hat eine Inflation von 4 % die Kaufkraft deines Geldes mehr als halbiert. Rechnen wir das kurz aus:

300.000 € / (1,04)^25 ≈ 112.000 €

Das heißt: Deine Schulden sind real nur noch rund 112.000 € wert. Zwei Drittel deiner Schulden wurden einfach durch Inflation „vernichtet“.

Selbstverständlich wurde bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt, dass Zinszahlungen anfallen. Aber auch hier ist es so, dass sich deine gesamte Rückzahlung zwar auf 450.000 € summiert, der Kredit aber trotzdem am Ende theoretisch (wenn man den Kreditbetrag quasi „behalten” würde) nur 252.000 € wert ist.

Und genau darin besteht die perfide Strategie: Während du Monat für Monat Zinsen und Tilgung überweist und vor dem Nominalwert schwitzt, verliert dein Kredit jeden Tag an realem Wert.

Wenn du generell noch mit dem Gedanken spielst, ob du dir Eigentum anschaffen sollst oder aufgrund der hohen Immobilienpreise lieber wartest, solltest du dir diesen Artikel ansehen. Darin wird die Frage behandelt, ob man sich eine Immobilie anschaffen oder lieber warten soll.


Das Gehalt spielt mit

Wenn dein Einkommen im gleichen Zeitraum ebenfalls wächst – also z. B. jedes Jahr um 2,5 bis 3 % – dann wird deine Tilgungsrate auch im Verhältnis zu deinem Einkommen immer kleiner.

Ein Beispiel: Heute verdienst du 3.500 € netto und zahlst 1.000 € Rate im Monat. Das sind rund 28 % deines Einkommens. In 25 Jahren, bei 2,5 % Gehaltssteigerung pro Jahr, verdienst du etwa 6.400 €. Die gleiche Rate sind dann nur noch 15 % deines Gehalts.

Dein Kredit bleibt gleich, aber du wächst finanziell über ihn hinaus. Inflation und Einkommen „arbeiten“ gemeinsam gegen den realen Wert deiner Schulden.


Das Spiel, das auch der Staat spielt

Dieses Prinzip nutzen nicht nur Hausbesitzer – es ist genau das, was Staaten und Zentralbanken bewusst tun.

Die größten Schuldner der Welt – die USA, Japan, die EU – tilgen ihre Schulden nicht, sie inflationieren sie.

Ein Land mit zwei Billionen Euro Schulden und 4 % Inflation verliert jedes Jahr rund 80 Milliarden Euro realen Schuldenwert – einfach so. Niemand muss etwas tun, niemand muss einen Cent tilgen. Die Inflation erledigt das.

Deshalb ist Inflation kein „Unfall“ oder „unglückliches Nebenprodukt“. Sie ist ein Werkzeug. Ein stiller Schuldenschnitt, der niemanden offiziell enteignet – aber alle betrifft.


Warum Reiche Schulden lieben

Vermögende Menschen und Unternehmen haben dieses Spiel längst verstanden. Sie nutzen Schulden strategisch, um Vermögenswerte aufzubauen – Immobilien, Unternehmen, Produktionsanlagen.

Der Trick ist einfach:

  • Sie nehmen Fremdkapital zu niedrigen Zinsen auf.
  • Sie investieren in reale Werte, die mit der Inflation mitwachsen.
  • Und sie lassen die Inflation ihre Schulden entwerten.

Wenn du ein Haus kaufst, das langfristig an Wert gewinnt, während deine Schulden gleichzeitig an Wert verlieren, dann nutzt du das inflationäre System, in dem wir leben, (fast) optimal aus. Du bist dann kein Verlierer, sondern profitierst.


Wann Schulden gut sind – und wann nicht

Natürlich gilt das nicht für jede Art von Schulden. Es gibt gute und schlechte Schulden.

Gute Schulden:

  • Finanzierung von Sachwerten (z. B. Immobilien, Unternehmen, Ausbildung)
  • Du nutzt das Kapital, um Vermögen zu schaffen

Schlechte Schulden:

  • Konsumkredite (z. B. Auto, Fernseher, Urlaub)
  • Kein bleibender Wert im Gegenzug

Kurz gesagt: Wenn du Schulden machst, damit du später mehr besitzt, sind sie strategisch sinnvoll. Wenn du Schulden machst, um heute besser zu leben, sind sie gefährlich.

Hier spielt vor allem das Thema Lifestyle-Inflation eine Rolle. Wenn du ein höheres Einkommen hast, gibst du oft auch mehr aus – oder noch schlimmer: Du machst deutlich höhere Schulden.

Einen Artikel, zum Thema Lifestyle-Inflation bei höheren Gehältern, habe ich hier verfasst.


Meine Strategie beim Schuldenabbau

Wir wurden darauf konditioniert, Schulden zu hassen.
„Schulden sind böse.“
„Schulden machen dich abhängig.“
„Nur wer schuldenfrei ist, ist wirklich frei.“

Diese Sätze sind tief in uns verankert – und emotional gesehen stimmt das auch: Ein Kredit bedeutet Verpflichtung, Verantwortung und Risiko. Du kannst deinen Job nicht einfach kündigen, wenn du jeden Monat eine hohe Kredittilgung an die Bank leisten musst.

Aber wirtschaftlich betrachtet, ist es manchmal dumm, seine Schulden zu schnell loszuwerden.

Ich kenne das selbst. Ich habe ein Eigentum aufgebaut – und natürlich den Drang, den Kredit möglichst schnell abzubezahlen. Aber ich sehe gleichzeitig, dass Inflation, steigende Gehälter und wachsende Vermögenswerte für mich arbeiten.

Ich kann heute deutlich höhere Raten leisten als noch vor wenigen Jahren. Rein rechnerisch habe ich die ursprünglich vereinbarte Rate mit einem Dauerauftrag verdoppelt. In dieser Rechnung habe ich Sondertilgungen noch gar nicht berücksichtigt!

Aber was soll man jetzt mit dem übrigen Einkommen tun, wenn man es nicht alles in die Tilgung stecken soll?

Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass es neben der automatischen Entschuldung wichtig ist, sein Vermögen so aufzubauen, dass es über die Inflation hinauswächst. Das mache ich mit Aktieninvestitionen, um mich vor der allgemeinen Geldentwertung zu schützen.

Läuft es mal wieder außergewöhnlich gut an der Börse – wie in den letzten Jahren – mache ich ab und zu Teilverkäufe und stecke das Geld dann in meinen Kredit.

Ich tilge nicht panisch, sondern strategisch.

BONUS: Für dich bedeutet das vor allem, dass du das Schuldenthema langfristig betrachten musst. Kreditzinssätze können sich verändern, das haben wir in den letzten Jahren gesehen. Nutze das aus und prüfe alle ein bis zwei Jahre, ob du einen besseren Zinssatz aushandeln kannst. Lass dir nicht einreden, dass sich das nicht rentiert!

Die Banken wollen nicht, dass du gehst, weil sie dann nichts mehr mit dir verdienen. Oft haben sich die Strafkosten beim Wechsel zu einem anderen Zinssatz nach nur wenigen Monaten finanziert.


Fazit: Schulden sind kein Feind – sie sind ein Werkzeug

„Zahle deine Schulden nicht zurück“ heißt nicht, dass du Verträge brechen sollst. Es heißt: Verstehe, was Schulden wirklich sind.

Schulden sind keine moralische Schuld, sondern ein finanzielles Werkzeug in einem System, das auf Inflation basiert. Wenn du sie richtig einsetzt, kannst du die Inflation für dich arbeiten lassen – so wie es Staaten, Konzerne und Reiche seit Jahrzehnten tun.

Das heißt, du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn du nicht 100 % gibst, um sie zurückzuzahlen. Du machst damit nichts falsch, sondern nutzt das System sogar optimal aus, sofern du das restliche Geld ebenfalls schlau investierst.

Von Daniel

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