Indien rückt immer mehr in den Fokus internationaler Investoren. Viele fragen sich: Kann Indien das neue China werden? Also die Rolle übernehmen, die China seit den 2000er Jahren in der Weltwirtschaft spielt? Die Anzeichen verdichten sich. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung, die BIP-Zahlen, die Aktienperformance und die Rolle Indiens im globalen Produktionsnetzwerk – und ob es sich jetzt lohnen könnte, in indische Aktien oder ETFs zu investieren.
Was viele nicht auf dem Radar haben: Indische Aktien haben den populären Aktienindex MSCI World in den letzten 5 Jahren deutlich übertroffen!

Indien heute = China vor 20 Jahren?
China war ab den frühen 2000er-Jahren das wirtschaftliche Wunder: zweistellige Wachstumsraten, ein Exportboom, Aufstieg zur „Werkbank der Welt“. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurde China von einem Entwicklungsland zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Heute ist Indien in einer ähnlichen Ausgangslage:
- Über 1,4 Milliarden Einwohner – Indien hat China mittlerweile sogar überholt.
- Davon über 65 % unter 35 Jahren – ein gewaltiger demografischer Bonus.
- Stark wachsende Mittelschicht mit wachsender Kaufkraft.
- Massiver Nachholbedarf bei Infrastruktur, Energieversorgung, Bildung und Gesundheitswesen.
- Reformbereite Regierung mit Fokus auf Digitalisierung, Innovation, Privatisierung und Industrieaufbau.
Der entscheidende Unterschied zu China: Indien ist eine lebendige Demokratie mit föderaler Struktur. Das sorgt für politische Stabilität, kann aber Entscheidungen verzögern. Während China wirtschaftlich oft per Dekret agiert und zu extremen Maßnahmen greift, muss Indien Veränderungen aushandeln. Das braucht Zeit – schafft aber langfristig oft mehr Vertrauen.

Derzeit regiert Premierminister Narendra Modi Indien, der sich insgesamt großer Beliebtheit erfreut. Seine politische Ausrichtung und sein Fokus liegen auf Wirtschaftswachstum, Digitalisierung und Infrastrukturprojekten. International verfolgt er eine Strategie der geopolitischen Unabhängigkeit, pflegt aber enge Beziehungen zu westlichen Staaten sowie zu Russland und den asiatischen Nachbarn.
Es gibt aber auch bestehende Konflikte, z.B. mit Pakistan um die Kaschmir-Region. Da beide Länder Atommächte sind, ergibt sich eine brisante Situation, in der Indien Pakistan militärisch überlegen ist und Pakistan auf die Unterstützung Chinas und der Türkei angewiesen ist.
Wirtschaftswachstum: Das BIP im Vergleich
Indien ist schon heute ein Schwergewicht in der Weltrangliste.
Bruttoinlandsprodukt (BIP) nominal (2024):

- China: ca. 18,7 Billionen USD (Platz 2 weltweit)
- Indien: ca. 3,9 Billionen USD (Platz 5 weltweit)
Langfristiges Wachstumspotenzial (Prognosen bis 2035):
Interessant ist aber vor allem das Wachstumspotenzial. Die aktuelle Wirtschaftskrise in China dämpft das Wachstum deutlich – das offizielle BIP-Wachstum für 2024 liegt bei ca. 5% – viele Analysten halten diese Zahlen jedoch für geschönt. Die Immobilienkrise um Evergrande, Country Garden und andere Konzerne zieht sich weiter durch das System. Die goldenen Jahre des Wachstums sind vorbei.
- China: eher moderates Wachstum von 2–3 % pro Jahr
- Indien: solides Wachstum von 6–8 % pro Jahr


Bereits heute liegt Indien auf Rang 5 der größten Volkswirtschaften der Welt. Die UN und der IWF prognostizieren, dass Indien bis 2030 zur drittgrößten Volkswirtschaft nach den USA und China aufsteigen wird – vor Deutschland und Japan. Dabei spielt vor allem der Binnensektor eine zentrale Rolle: Konsum, Dienstleistungen und Digitalisierung treiben das Wachstum an.
Verlagerung der globalen Produktion: China+1 = Indien
Immer mehr Unternehmen verfolgen eine sogenannte „China+1“-Strategie. Das heißt: Sie behalten China als wichtigen Produktionsstandort, suchen aber bewusst Alternativen, um geopolitische Risiken, steigende Löhne oder Lieferengpässe abzufedern.
Indien profitiert massiv von diesem Trend:
- Apple produziert inzwischen einen großen Teil seiner iPhones in Indien.
- Foxconn, Wistron und Samsung investieren Milliarden in Fabriken.
- Auch Pharma-, Textil-, Auto- und Maschinenbauunternehmen verlagern Teile ihrer Fertigung nach Indien.
Die Gründe:
- Niedrigere Lohnkosten als in China (Lohnstückkosten rund 1/3 niedriger)
- Junge, technikaffine und englischsprachige Bevölkerung
- Wachsender Binnenmarkt mit hoher Konsumnachfrage
- Subventionen und Sonderwirtschaftszonen durch die Regierung
- Geringere geopolitische Spannungen mit dem Westen
Indien könnte sich also langfristig als neues Zentrum der globalen Produktion etablieren – vor allem bei arbeitsintensiven Industrien.
Aktienperformance: Indien vs. China
Leider muss ich dich enttäuschen, bei all den positiven Zahlen ist dieser Trend leider nicht ganz unbemerkt geblieben. Wenn man sich den Performancevergleich mit chinesischen Aktien anschaut, dann ist das ein vernichtendes Urteil für China. In den letzten 5 Jahren war ein Investment in einen China ETF quasi eine Nullnummer. Indien hingegen hat sich sehr gut entwickelt.
Bei all den Gewinnen darf man jedoch nicht die Bewertungen vergessen. China ist aufgrund der politischen Risiken und der ständigen Angst vor einer Invasion Taiwans immer noch historisch niedrig bewertet. So haben chinesische Aktien in diesem Beispiel nur ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15. Der MSCI World hingegen liegt aktuell bei 23,11 und der Indien ETF sogar bei 25,35.

Wer in den letzten Jahren auf Indien gesetzt hat, konnte deutlich höhere Renditen erzielen – bei tendenziell geringerer politischer Unsicherheit.
Fazit: Indien – das China der nächsten Dekade?
Indien steht heute dort, wo China Anfang der 2000er stand: jung, dynamisch, unterinvestiert, mit einem gigantischen Arbeitskräftepotenzial und wachsendem Inlandsmarkt.
- Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sprechen für nachhaltiges Wachstum.
- Die Aktienmärkte liefern seit Jahren solide Renditen.
- Die globale Produktion verlagert sich zunehmend Richtung Indien.
Indien wird nicht das zweite China – es wird seinen eigenen Weg gehen.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass China nicht nur der Billigproduzent und Produktkopierer ist, der es vielleicht einmal war. China ist mittlerweile neben den USA die führende KI-Nation der Welt. Der Staat fördert dieses Thema massiv und viele Technologieunternehmen, die früher stark eingeschränkt waren, beschäftigen sich mit diesem Thema. Auch in der Hardwareproduktion ist China bei vielen Produkten noch uneingeschränkt vertreten. Und man darf nicht vergessen, was gerade in der Automobilindustrie passiert: Die Zulassungen deutscher Autos gehen in China rapide zurück und im Gegenzug kommen immer mehr chinesische Autos zu uns. China mag in einer Wirtschaftskrise stecken, aber technologisch sind sie stärker gewachsen als je zuvor.
Indien hingegen ist zwar auch im IT- und Softwarebereich gut aufgestellt, aber im Bereich KI eher der Anwender. Das bedeutet, dass Indien in den nächsten Jahren eher von einem verstärkten Wachstum im Produktionsbereich profitieren kann. Wenn die Regierung auch den Technologiesektor massiv unterstützt, könnten sie langfristig auch hier aufholen.
Ich hoffe, ich konnte dir das Thema Indien als Investitionsmöglichkeit etwas näher bringen. Auf jeden Fall bietet Indien ein spannendes Umfeld, das vielleicht nicht so sehr von politischen Machtspielen und geopolitischen Spannungen geprägt ist wie China.
In diesem Artikel verwendete ETFs zum Performancevergleich:
- iShares MSCI India UCITS ETF (IE00BZCQB185)
- iShares MSCI World UCITS ETF (IE00B0M62Q58)
- iShares MSCI China UCITS ETF (IE00BJ5JPG56)
Einige Informationen über ETFs sind in diesem Artikel zu finden.
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