In den letzten Jahren wirkte der digitale Euro oft wie ein Projekt, das irgendwo in Brüssel geplant wird, aber kaum Realität hat. Viel Theorie, wenig Praxis. Doch die aktuellen Nachrichten zeigen, dass die EZB es jetzt ernst meint.
- In den USA wurde gerade ein neues Stablecoin-Gesetz verabschiedet („Genius Act“), das digitale Dollar-Versionen von Privatfirmen wie Circle oder Tether reguliert und aufwertet (Financial Times). Damit sind Stablecoins in den USA erstmals rechtlich klar eingebettet – und könnten international schnell an Bedeutung gewinnen.
- EZB-Direktor Piero Cipollone betonte vor wenigen Tagen, dass der digitale Euro entscheidend wäre, um Zahlungen bei großen Störungen oder Cyberangriffen aufrechtzuerhalten (Reuters, Coindesk).
- Und: In Litauen laufen bereits konkrete Tests, wie der digitale Euro im Alltag funktionieren könnte (Reuters).
Diese drei Punkte machen klar: Die EU will nicht länger abwarten – sie beschleunigt.
Wenn du dich gerade erst mit dem Thema „digitaler Euro” beschäftigst, habe ich hier zwei Artikel für dich: Digitaler Euro: Kommt jetzt das Ende von Bargeld und Kryptowährungen?, Digitaler Euro = Totalüberwachung? Was China schon zeigt, könnte auch uns drohen
Warum die EU plötzlich Tempo macht
Der wichtigste Treiber ist geopolitisch: Mit dem Genius Act haben die USA ihre Stablecoins erstmals umfassend reguliert und damit offiziell anerkannt. Das Gesetz schreibt vor, dass Stablecoins 1:1 mit US-Dollar oder Staatsanleihen gedeckt sein müssen, nur lizensierte Institute sie ausgeben dürfen und dass Zinsen auf Guthaben verboten sind. Damit bekommen Stablecoins wie USDC oder USDT eine völlig neue Legitimität – und könnten sich zum weltweiten Standard im digitalen Zahlungsverkehr entwickeln.
Mehr zum Thema Stablecoins gibt es in diesem Artikel.
Für Europa bedeutet das: Der digitale Euro ist auch ein strategisches Gegengewicht, um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Während in den USA Banken und Investoren jetzt rechtssicher mit Stablecoins arbeiten können, steckt die EU noch in endlosen Diskussionen. Die Lücke wird größer – und die EZB will sie nun mit Tempo schließen.
Tatsächlich wickeln Stablecoins heute schon täglich Milliardentransaktionen ab, vor allem USDC und USDT. Mit dem Genius Act haben die USA also quasi ein „fertiges Produkt“, auf das Finanzdienstleister sofort aufbauen können – während Europa noch am Konzept feilt.
Für den Euro gibt es ebenfalls bereits einen Stablecoin. Dieser ist derzeit jedoch kaum relevant.
Das zweite Argument ist die Krisenfestigkeit. In einer Welt mit steigenden Cyberrisiken wäre ein digitales Zahlungsmittel, das offline funktioniert, ein wichtiger Sicherheitsanker, so ein EU-Direktor.
Ich bin diesbezüglich jedoch skeptisch, denn wenn beispielsweise der Login für die App deiner Bank, über die dein digitales Euro-Wallet verknüpft ist, defekt oder korrupt ist, wird auch die Offline-Zahlung nicht funktionieren.
Zudem wird die EZB das Bezahlen ohne Internetverbindung begrenzen. Warum? Ganz einfach: Der Kontostand deines Wallets wird laufend mit dem der EZB abgeglichen, um Doppelbuchungen oder Betrug zu vermeiden. Die maximale Summe der Offline-Fähigkeit wird höchstwahrscheinlich begrenzt sein.
Daher glaube ich, dass man im extremen Krisenfall nicht den gleichen Komfort wie mit Bargeld haben wird.
Was genau passiert in Litauen?
Die Bank of Lithuania hat in Vilnius eine Demoplattform aufgebaut, auf der man sehen kann, wie der digitale Euro konkret funktionieren könnte:
- Zahlungen per QR-Code zwischen Privatpersonen
- Peer-to-Peer-Transfers ohne zwischengeschaltete Bank
- Offline-Zahlungen, die auch bei Netz- oder Systemausfällen laufen
Zusätzlich werden Händlerlösungen getestet: Wie sieht ein Kassen-Terminal aus, das den digitalen Euro akzeptiert? Wie kann ein kleiner Shop oder ein Online-Händler solche Zahlungen integrieren?
Auch litauische Fintechs sind eingebunden – allen voran Walletto. Walletto hat seit 2017 eine sogenannte E-Money-Lizenz von der litauischen Zentralbank. Damit dürfen sie digitale Finanzdienstleistungen wie Kartenzahlungen, SEPA-Überweisungen oder Wallets nicht nur in Litauen, sondern EU-weit anbieten.
Ihre Rolle: Walletto entwickelt Demos, mit denen Händler zeigen können, wie sie künftig digitale-Euro-Zahlungen annehmen würden. Technisch nutzen sie dafür Prototyp-Schnittstellen und Sandbox-Umgebungen, die von der EZB und der Bank of Lithuania bereitgestellt werden.
Warum ausgerechnet Litauen?
Dass Litauen hier so aktiv ist, ist kein Zufall:
- Das Land ist seit 2015 in der Eurozone – es geht also um denselben Euro, nicht um eine eigene Digitalwährung.
- Litauen hat sich in den letzten Jahren als Fintech-Hotspot Europas etabliert. Viele Unternehmen, darunter auch große Namen wie Revolut, haben dort ihre Lizenzen, weil die Regulierung vergleichsweise schnell und innovationsfreundlich ist.
- Die Bank of Lithuania gilt als offen für Experimente. Schon 2020 hat sie mit LBCOIN ein Blockchain-basiertes Projekt gestartet – eine digitale Sammlermünze, die als technisches Testfeld diente. Die Erkenntnisse daraus fließen heute in die Arbeit am digitalen Euro ein.
Kurz gesagt: Litauen ist klein, schnell und experimentierfreudig – perfekt, um Dinge zu testen, die in größeren Ländern schwerfälliger wären.
Wichtig ist: Litauen macht das nicht im Alleingang. Alle Tests laufen im Rahmen der „Preparation Phase“ des Eurosystems – also mit voller Abstimmung der EZB und den anderen nationalen Zentralbanken.

Wenn sich die in Litauen erprobten Lösungen als praxistauglich erweisen, könnten sie die Blaupause für ganz Europa werden.
Fazit
Die Nachrichten der letzten Wochen zeigen: Der digitale Euro nimmt Fahrt auf.
- Die USA haben Stablecoins rechtlich aufgewertet – Europa reagiert.
- Die EZB sieht den digitalen Euro als Krisen-Backup für unser Zahlungssystem.
- In Litauen laufen Tests, die beweisen sollen, dass der digitale Euro nicht nur ein Konzept ist, sondern bald Realität werden könnte.
Damit ist klar: Der digitale Euro ist keine ferne Zukunftsmusik mehr. Die EU beschleunigt – und wie wir morgen bezahlen, wird gerade jetzt in Pilotprojekten wie in Litauen entschieden.
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