Unabhängig oder Marionette? Die Wahrheit über die EZB (Europäische Zentralbank)

Ob du es willst oder nicht: Die Entscheidungen der Zentralbanken betreffen uns alle. Ob man einen Kredit aufnehmen will, sein Sparkonto im Auge behält oder sich fragt, warum plötzlich alles teurer wird – die Europäische Zentralbank (EZB) spielt eine zentrale Rolle. Sie gehören zu den mächtigsten Institutionen, die unser Vermögen maßgeblich beeinflussen.

Die Frage ist aber, wie frei diese Institutionen wirklich agieren können und wer sie letztlich steuert. Denn obwohl sie offiziell unabhängig sind, gibt es immer wieder Hinweise auf politischen Druck oder zumindest Situationen, in denen es nicht den Anschein hat, dass die laufenden Aktivitäten gewollt sind. Aktuell zeigt sich dies beispielsweise am erneuten Hickhack zwischen Donald Trump und Jerome Powell. Trump setzt den Notenbankchef erneut öffentlich unter Druck und stellt sogar Powells Verbleib im Amt infrage.

Solche Entwicklungen werfen grundsätzliche Fragen auf: Wie neutral sind die Entscheidungen wirklich? Und wie sicher ist das System, das unser Geld stabil halten soll?


Was ist eigentlich eine Zentralbank und welche Aufgaben hat sie?

Zentralbanken sind keine gewöhnlichen Banken. Sie vergeben keine Kredite an Privatpersonen, sondern steuern die Geldpolitik eines Landes oder einer Währungsunion. Sie regulieren die Geldmenge, legen die Leitzinsen fest und geben das gesetzliche Zahlungsmittel aus. Die EZB zum Beispiel kontrolliert die Ausgabe des Euro, sorgt für eine reibungslose Bargeldversorgung und verwaltet die Währungsreserven des Euroraums.

Zum Thema Leitzinsen und EZB gibt es einen weiteren Artikel und ein Video.

Die EZB ist für die 20 Länder der Eurozone zuständig. Die FED ist für die Geldpolitik der USA zuständig. Beide Institutionen haben ähnliche Ziele, aber unterschiedliche Strukturen.

Geldpolitik umfasst auch technische Größen wie die Geldmengenaggregate M1, M2 und M3.

Geldmenge M1

  • Umfasst Bargeld im Umlauf und Sichteinlagen bei Banken.
  • Spiegelt die tatsächlich vorhandene Kaufkraft wider.
  • Ist ein Maß für die schnell verfügbare Geldmenge. 

Geldmenge M2

  • Umfasst M1 plus Spareinlagen (mit Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten) und Termineinlagen (mit Laufzeit von bis zu 2 Jahren). 
  • Spiegelt die potenzielle Kaufkraft wider, da das Geld zwar nicht sofort, aber relativ schnell verfügbar ist. 
  • Ist ein Maß für die Geldmenge, die potenziell für Transaktionen verwendet werden kann. 

Geldmenge M3

  • Umfasst M2 plus diversen Finanzgeschäften, Geldmarktfondsanteile, Schuldverschreibungen und andere liquide Finanzinstrumente.
  • Ist ein breites Geldmengenaggregat, das auch längerfristig gebundenes Geld einschließt.
  • Kann als Indikator für die allgemeine Geldnachfrage dienen

Die Idee der Unabhängigkeit

Unabhängige Zentralbanken sollen frei von politischer Einflussnahme entscheiden können. Die Idee: Hätten Regierungen zu viel Macht über die Geldpolitik, könnten sie niedrige Zinsen erzwingen, um kurzfristig das Wirtschaftswachstum anzukurbeln – und damit Wahlerfolge zu sichern. Langfristig wäre dies jedoch schädlich.

Aus diesem Grund werden die Zentralbankpräsidenten in einem formal unabhängigen Verfahren bestimmt. Bei der EZB wird der Präsident vom Europäischen Rat (also auch von den Staats- und Regierungschefs) ernannt, bei der FED vom US-Präsidenten, allerdings mit Zustimmung des Senats. Die derzeitigen Präsidenten sind Christine Lagarde (EZB) und Jerome Powell (FED).

Wir als Bürger haben kaum direkten Einfluss darauf. Das ist einerseits stabilisierend, andererseits manchmal undurchschaubar. Da wir aber alle in einer Demokratie leben, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, die Vorsitzenden vom Volk wählen zu lassen. Es gibt Vor- und Nachteile:

Vorteile einer öffentlichen Wahl

  • Transparenz und Mitsprache: Bürger könnten direkt mitbestimmen, wer über Zinsen und Geldmengen entscheidet – das betrifft schließlich jeden.
  • Vertrauensaufbau: Mehr Beteiligung könnte das Vertrauen in die EZB stärken.
  • Verantwortlichkeit: Ein gewählter EZB-Präsident müsste sich öffentlich rechtfertigen und wäre rechenschaftspflichtiger als heute.

Nachteile einer öffentlichen Wahl

  • Populismusgefahr: Kandidaten könnten unrealistische Versprechen machen, z. B. „Zinsen runter, Geld für alle“, um gewählt zu werden – selbst wenn das ökonomisch schädlich wäre.
  • Kurzfristiger Fokus: Politiker denken oft in Wahlzyklen. Geldpolitik braucht aber langfristige Perspektiven und Geduld.
  • Fachliche Qualifikation: Geldpolitik ist hochkomplex. Es besteht das Risiko, dass Persönlichkeiten gewählt würden, die charismatisch, aber nicht kompetent sind.

Meiner persönlichen Meinung nach ist es in Ordnung, dass wir selbst keinen direkten Einfluss auf die Wahl des Notenbankchefs oder der Notenbankchefin haben. Wahlen werden sehr oft nach Sympathie und weniger nach Fachkenntnis getroffen. Außerdem ist es von Vorteil, wenn wirklich Persönlichkeiten an der Spitze der Notenbanken stehen, die sachlich geldpolitische Entscheidungen treffen, ohne Angst haben zu müssen, bei der nächsten Wahl schlechter abzuschneiden und deshalb auch mal unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, wenn es notwendig ist.

Unabhängigkeit und keine Volkswahl der Zentralbankpräsidenten bedeuten aber nicht, dass Zentralbanken alles dürfen. Sie müssen sich rechtfertigen – vor Parlamenten, Medien und der Öffentlichkeit. Und ihre Instrumente sind nicht unbegrenzt.

Um beispielsweise einen Direktor der EZB (also auch die Präsidentin) zu entlassen, braucht es den Europäischen Gerichtshof (EuGH), nicht den Europäischen Rat oder das Europäische Parlament. Die Regierungschefs selbst können hier nicht einfach eingreifen und jemanden entlassen.


Wie unabhängig ist die EZB?

Rein rechtlich genießt die EZB ein sehr hohes Maß an Unabhängigkeit. Sie darf keine Staatsfinanzierung betreiben und ist ausschließlich der Preisstabilität verpflichtet. In der Praxis ist das nicht immer so klar.

  • Finanzkrise 2008: Die EZB senkt die Leitzinsen von 4,25 % auf 1 %, um Kredite billiger zu machen und so Investitionen und Konsum anzukurbeln. Außerdem wurde den Banken unter bestimmten Bedingungen unbegrenzte Liquidität zur Verfügung gestellt.
  • Die europäische Schuldenkrise ab 2010: Damals kaufte die EZB massiv Staatsanleihen auf. Offiziell zur „Aufrechterhaltung des geldpolitischen Transmissionsprozesses“ – faktisch half sie damit, Ländern wie Griechenland oder Italien, zahlungsfähig zu bleiben.
  • Im weiteren Verlauf der Euro-Schuldenkrise wurde OMT (Outright Monetary Transactions) angekündigt, bei dem unbegrenzt Staatsanleihen am Sekundärmarkt (also nicht direkt von Staaten, sondern von Banken) gekauft werden sollten. Dies wurde jedoch nie umgesetzt, da allein die Ankündigung die Zinsen der Anleihen stark sinken ließ.
  • Covid-19 Pandemie 2020: Das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) wurde gestartet, in dessen Rahmen Anleihen öffentlicher und privater Schuldner gekauft wurden. Die Nettoankäufe bis Ende März 2022 beliefen sich auf rund 1,8 Billionen Euro. Das Besondere an diesem Programm war vor allem, dass die Ankäufe extrem schnell erfolgten und erstmals nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen gekauft wurden, was zu heftiger Kritik führte.

Jede größere Maßnahme der Zentralbanken seit der Finanzkrise war radikaler, weitreichender und marktverzerrender als die vorherige.

Wenn du mehr über vergangene Börsencrashs erfahren möchtest, habe ich hier einen Artikel und ein Video für dich.


Wo endet die Unabhängigkeit?

Die Geschichte zeigt deutlich, dass die EZB immer extremer eingreift und die Maßnahmen immer weiter eskalieren. Wir entfernen uns immer mehr von der reinen Geldvergabe und Zinsanpassung. Unabhängigkeit auf dem Papier ja, aber in Krisenzeiten schlägt die Stunde der Zentralbanken und sie sind oft gezwungen zu handeln. Bisher wurden alle Krisen der letzten Jahrzehnte immer mit massiven Mitteln und der Brechstange bekämpft und die Grenzen dessen, was die EZB verantworten kann, verschwimmen immer mehr. Vor allem, wenn es um die Rettung von Staaten und Banken oder des gesamten Währungssystems geht.

Trotzdem: Ich bin froh, dass es diese Institutionen gibt. Eine unabhängige Zentralbank ist das Rückgrat einer stabilen Währung. Das Geldsystem darf nicht zu sehr von der jeweiligen Regierung abhängen, sonst können aus wahltaktischen Gründen oder wegen der Stimmung in der Bevölkerung Maßnahmen ergriffen werden, die uns langfristig schaden.

Dennoch muss man sagen, dass die radikalen Maßnahmen und das exzessive Gelddrucken der letzten Krisen eindeutig über das Ziel hinausgeschossen sind und uns jetzt langfristig Probleme bereiten.

Hoffen wir, dass wir in naher Zukunft keine Krisen mehr erleben, in denen die EZB eingreifen muss, und dass es ihr gelingt, die Bilanzsumme etwas zu reduzieren.

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