Stell dir vor, du liest in den Nachrichten: Neun große Banken wollen plötzlich ihren eigenen Euro herausbringen. Kein neues Konto, keine neue Kreditkarte, aber natürlich auch jetzt keine eigene Währung – sondern einen eigenen Stablecoin, also eine digitale Währung, die fest an den Euro gekoppelt ist.
Offiziell klingt das harmlos: Innovation, Effizienz und mehr Konkurrenz für US-Stablecoins wie USDT oder USDC, die bereits ein Transfervolumen von über 100 Milliarden pro Tag aufweisen können – natürlich vieles davon im Rahmen von Spekulationen. Aber wenn man genauer hinschaut, steckt dahinter ein Machtkampf zwischen Banken und der Europäischen Zentralbank (EZB).
Wenn du mehr über Stablecoins im Allgemeinen erfahren möchtest, schau dir diesen Artikel an.
Was die Banken wirklich vorhaben
Im September 2025 gaben neun Banken bekannt, gemeinsam eine neue Gesellschaft zu gründen, die einen Euro-Stablecoin herausgeben soll. Dabei sind unter anderem:
- ING
- UniCredit
- CaixaBank
- DekaBank
- KBC
- Danske Bank
- SEB
- Raiffeisen Bank International
- Banca Sella
Die Pläne sind konkret: Die erste Ausgabe soll 2026 starten, reguliert nach den neuen EU-Regeln (MiCA-Verordnung) und überwacht von der niederländischen Zentralbank.
Das Versprechen:
- Schnellere Zahlungen rund um die Uhr
- Programmierte Überweisungen (z. B. automatische Zahlungen in Lieferketten)
- Weniger Abhängigkeit von amerikanischen Stablecoins
Das klingt erst einmal nach Fortschritt – etwas, das man aktuell gerne hört, da man sich als Europäer doch seit Monaten abgehängt fühlt. Aber: Warum bringen die Banken jetzt so einen Token – genau in dem Moment, in dem die EZB selbst den digitalen Euro vorbereitet?
Banken vs. EZB – wer kontrolliert den Euro?
Hier wird es spannend:
- Die EZB arbeitet seit Jahren am digitalen Euro. Offiziell soll er Bargeld ergänzen, de facto geht es aber darum, dass die Zentralbank direkten Zugriff auf Bürger und Unternehmen bekommt – ohne Umweg über die Banken.
- Die Banken haben davon wenig Begeisterung. Sie wären nur noch „Verteil-Apps“ für den digitalen Euro und verlieren Macht. Also starten sie jetzt ihren eigenen Euro-Token – und stellen sich damit direkt gegen die EZB.
👉 Es ist also nicht nur Technik, sondern ein Machtkampf um die Kontrolle über das Geldsystem.
Zum Thema „Digitaler Euro” habe ich bereits einen Artikel verfasst.
Wo liegen die Chancen?
Natürlich kann man das Projekt nicht nur schlechtreden. Einige Punkte sind tatsächlich interessant:
- Europa bekommt endlich einen regulierten Euro-Stablecoin, während bisher fast nur US-Projekte den Markt dominieren. Es gibt bereits Stablecoins, die an den Euro gekoppelt sind. Diese sind allerdings derzeit weniger populär.
- Für internationale Zahlungen und Handel könnte das eine echte Alternative zu Dollar-Stablecoins sein.
- Banken haben theoretisch die Infrastruktur und die finanziellen Mittel, um so ein Projekt groß auszurollen.
Aber das sind die Sonnenseiten – und die liest du ohnehin in den Pressemitteilungen. Spannender sind die Risiken und unbequemen Fragen.
Die Risiken des Euro Stablecoins, über die kaum jemand spricht
- Doppelstrukturen und Verwirrung
- Digitaler Euro und Banken-Stablecoin – braucht es wirklich beides?
- Am Ende blickt niemand mehr durch
- Machtkonzentration
- Banken hätten nicht nur Einlagen und Kredite, sondern auch noch ihre „eigene“ digitale Währung.
- Bedeutet: noch mehr Abhängigkeit für dich als Kunde.
- Vertrauen in Banken
- Erinnerst du dich an 2008? Banken haben damals Milliarden verbrannt – und jetzt sollen wir ihnen einen Stablecoin anvertrauen, der „immer stabil“ sein soll? Ein Stablecoin lebt davon, dass die vorhandene Marktkapitalisierung beispielsweise durch Staatsanleihen gedeckt ist. Sind diese im Krisenfall unantastbar oder geht ein Teil der Sicherheit verloren?
- Einlagensicherung fraglich
- Bei Bankkonten gilt die gesetzliche Einlagensicherung.
- Aber bei einem Stablecoin? Da hast du im Zweifel nur einen Token in der Wallet. Die Frage ist, welchen Rechtsanspruch du hast, wenn es schiefgeht.
- Politisches Timing
- Dass die Banken jetzt genau zum Start der MiCA-Verordnung mit diesem Projekt kommen, wirkt wie eine Kampfansage: „Wir wollen unsere eigene Lösung, bevor die EZB den digitalen Euro durchdrückt.“
Innovation oder Machtspiel?
Ein europäischer Stablecoin kann Vorteile haben – keine Frage. Aber:
Das Ganze ist weniger Innovation, sondern eher ein Machtspiel zwischen Banken und EZB.
Für dich als Bürger bedeutet das:
- Es geht nicht darum, ob Zahlungen ein paar Sekunden schneller sind.
- Es geht darum, wer in Zukunft dein Geld kontrolliert – die Zentralbank oder private Banken.
Und genau deshalb solltest du solche Meldungen nicht nur als technisch spannendes Thema sehen, sondern als das, was sie sind: ein Kampf um Macht, Kontrolle und Vertrauen im Geldsystem.
